Du liebst deinen Partner und hast dennoch das Gefühl, dass die Beziehung sich oft wie eine emotionale Achterbahn anfühlt. Du schwankst zwischen intensiven Gefühlen der Zuneigung und Momenten verwirrender Abneigung. Die Freude, die Nähe und Verbindung bringt, wird von einer inneren Unruhe und dem intensiven Bedürfnis nach Abstand überschattet. Warum aber gerät eine Partnerschaft immer wieder in dieses Muster? Darum geht es im heutigen Beitrag.
Die Spuren der Vergangenheit
Unsere frühen Beziehungserfahrungen, insbesondere mit den engsten Bezugspersonen, hinterlassen oft tiefere Spuren, als uns bewusst ist. Auch wenn wir in einer grundsätzlich liebevollen Umgebung aufgewachsen sind, können wiederholte Phasen emotionaler Abwesenheit – etwa, weil Eltern beruflich stark eingespannt waren – Unsicherheiten hervorrufen. Diese können sich auch in unseren späteren Partnerschaften im Erwachsenenalter zeigen. Es geht also nicht immer um extreme oder traumatische Kindheitserfahrungen, sondern oft um subtile, wiederkehrende Situationen, die das Vertrauen in die dauerhafte und verlässliche emotionale Verfügbarkeit der frühen Bezugspersonen erschüttert haben. Diese frühen Prägungen können im Erwachsenenalter unbewusst dazu führen, dass Beziehungen als tendenziell unsicher empfunden werden.
Vier typische destruktive Muster
In der paartherapeutischen Praxis begegnen mir hierbei häufig folgende Verhaltensmuster:
- Abwertung des Partners:
Du bemerkst hauptsächlich die Fehler deines Partners, fokussierst dich auf das Negative. Das ist eine Schutzstrategie, um emotionalen Abstand zu gewinnen und den Schmerz zu vermeiden, der durch Nähe entstehen könnte. Diese „negative Brille“ hilft dir, Distanz zu schaffen – doch sie verhindert auch, dass du die schönen Seiten der Beziehung wirklich erlebst. - Beziehungstests:
Ein weiteres Verhalten ist das ständige Testen deines Partners. Indem du bewusst Dramen erzeugst, ihm oder ihr Vorwürfe machst oder sogar gemein zu ihr / ihm bist, möchtest du unbewusst prüfen, ob er / sie trotzdem an deiner Seite bleibt. Diese Tests, die dir möglicherweise nicht einmal voll bewusst sind, entspringen einer Angst, verlassen zu werden – „Wirst du auch dann noch bei mir bleiben, wenn ich dir das Leben schwer mache?“ - Fluchtgedanken:
Ein weiterer Aspekt, den viele Menschen teilen, die Schwierigkeiten mit emotionaler Bindung haben, ist die Angst, sich einem langweiligen, „normalen“ Leben zu ergeben. Diese Angst kann daher rühren, dass in früheren Lebensphasen die Abwechslung und Unabhängigkeit eine Flucht aus Unsicherheiten darstellten. Stabilität und Nähe wirken manchmal bedrohlich, weil sie das Risiko bergen, verletzt zu werden. Freiheit erscheint daher als sicherer Rückzugsort, um Verletzungen zu entgehen. - Emotionaler Druck:
Oft steigert sich der Konflikt bis zu dem Punkt, an dem du deinen Partner anschreist oder sie/ihn emotional verletzt. Dabei wird Dopamin ausgeschüttet, weshalb so ein Ausbruch kurzzeitig befriedigend sein kann. Doch langfristig schadet es sowohl dir als auch deiner Beziehung.
Ursprünge der Verhaltensmuster
Die dargestellten Verhaltensweisen erscheinen absurd – warum sollte man der geliebten Beziehungsperson so etwas antun?
Die Antwort liegt im verminderten psychischen Funktionsniveau. Das bedeutet vereinfacht: Sobald wir gestresst sind, Angst haben, wütend sind, übernimmt ein älterer Teil unseres Gehirns die Führung. Oft greifen wir dabei auf Strategien zurück, die wir bereits als Kind entwickelt haben, um mit den Unsicherheiten und dem Gefühl des Alleinseins oder Verlassenwerdens umzugehen. Diese Reaktionsmuster haben uns damals geholfen durch emotional überfordernde Situationen zu kommen. Doch heute, im Erwachsenenalter, behindern diese Schutzstrategien unsere Fähigkeit eine gesunde Beziehung zu führen.
Was kannst du tun? Schritte zur Veränderung
- Muster erkennen
Diese Mechanismen entspringen keiner Böswilligkeit, oft nicht einmal einer bewussten Absicht. Sie sind tief in uns verankert und werden meist durch eine Situation wachgerufen, in der wir Beziehungsstress erleben. Wenn sie jedoch erstmal aktiviert sind, werden sie fast automatisiert abgespult und sind dabei kaum aufzuhalten. Es gibt jedoch einen Ausweg: Du kannst diese Muster erkennen und in einem zweiten Schritt bewusst und rechtzeitig eine andere Abzweigung nehmen. - Entscheiden, dass du dich verändern willst
Ein zweiter, fundamental wichtiger Schritt, ist es – so banal es klingt – zu erkennen, dass du grundsätzlich in der Lage bist anders zu handeln. In dir gibt es nicht nur die verletzlichen Anteile, sondern auch eine reife, reflektierte Stimme, die weiß, was gesund für dich ist. Indem du entscheidest, dass du dich ändern möchtest, übergibst du dieser erwachsenen Stimme in dir das Ruder. Dabei geht es nicht darum die alten, destruktiven Verhaltensweisen zu unterdrücken. Es geht vielmehr darum, dass du sie erstmal überhaupt erkennst und anders als bislang auf sie reagierst. - Innehalten
Ganz im Sinne des berühmten Zitats von Viktor Frankl, liegt in der Pause zwischen dem Reiz (z.B. dein Partner sagt etwas, was dich verunsichert) und deiner Reaktion (z.B. du wirst kalt, abweisend und redest nicht mehr mit ihr / ihm), deine Freiheit. Diese kannst du jedoch nur dann auch nutzen, wenn du übst nach dem Reiz erstmal eine Pause einzulegen. Innezuhalten, anstatt in dein gewohntes Reaktionsmuster zu verfallen, bedeutet, dass du dir Zeit gibst bewusst darüber nachzudenken, wie du reagieren möchtest, anstatt deine automatisierte Gewohnheitsreaktion abzuspulen. - Lerne, dich selbst zu beruhigen
Neues zu lernen erfordert oft Mut – das gilt insbesondere für unsere engsten Beziehungen. Auf einen negativen Reiz nicht mit der gewohnten Reaktion zu antworten, kann auch zutiefst verunsichernd sein. Wir Menschen lagern unsere eigene Unsicherheit gerne auf dem anderen ab, indem wir uns in Vorwürfen ergießen oder die kalte Schulter zeigen. Das fühlt sich in dem Moment oft einfacher an, als unser Gefühl zu halten. Das kannst du nur, wenn du übst und lernst, dich selbst zu beruhigen, ohne deine Beziehungsperson dafür zu benutzen. Sit with your feelings. Und lerne, dich dabei selbst zu beruhigen. - Lerne zu reparieren
Vielen Menschen fällt es schwer zuzugeben, wenn sie etwas Unschönes gemacht haben. Gleichzeitig geht es uns allen so, uns allen kann mal etwas ausrutschen, jeder hat mal kindisch und verletzend gehandelt. Das ist menschlich, das ist ok. Wenn du jedoch eine Beziehung führen willst, dann empfehle ich dir dringend zu lernen den Schaden, den du verursacht hast, zu reparieren. Zeige dir selbst und deiner Beziehungsperson, dass dein Verhalten nicht richtig war. Spreche es aus, entschuldige dich. Überlege dir aktiv, was du tun kannst, um beim nächsten Mal anders handeln zu können. Übe das, so oft es geht. Es wird immer leichter werden.
Fazit
Bevor du Veränderungen in der Beziehung anstößt, musst du für dich klären, was du wirklich brauchst. Was bedeutet für dich eine erfüllte Beziehung? Welche Werte sind dir wichtig, und welche Aspekte deines Lebens möchtest du in die Beziehung integrieren? Sobald du diese Klarheit in dir gefunden hast, kannst du offen mit deinem Partner darüber sprechen.
Oft unterschätzen wir, wie flexibel unsere Partner sein können. Sie werden nicht selten zu „Feinden“ erklärt, die unsere Freiheit einschränken, obwohl sie in Wirklichkeit nichts anderes wollen, als dass wir glücklich sind. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass wir selbst wissen, was wir wollen, und dies klar kommunizieren.
Der Weg aus der emotionalen Achterbahn erfordert Mut und Selbstkonfrontation. Du musst dich entscheiden, ob du weiterhin in den alten Mustern verharren möchtest oder ob du bereit bist, einen neuen, gesünderen Weg einzuschlagen. Es kann manchmal ein harter Prozess sein, der viel Selbstdisziplin und Ehrlichkeit mit sich selbst erfordert. Es kann sein, dass es für dich hilfreich ist, dir dabei Unterstützung zu holen. Der Lohn dafür ist eine sichere, gesunde Beziehung, in der sich beide wohlfühlen können.